15.08.2017
So. Drei Tage habe ich schon überlebt. Für den vierten Tag ist das nächste Projekt geplant, auf das ich schon lange spechte. Die Überschreitung der Sonnenspitzen von Nord nach Süd.
Dafür haben Philipp und ich uns für halb neun an der Kastenalm verabredet, er kommt früh morgens extra aus Rosenheim dafür. Ich muss nur mit dem Radl vom Halleranger die hässliche Rampe hinuntersausen. Da ich weiß, wie überpünktlich Philipp ist, schaue ich, dass ich schon um acht unten bin. Und tatsächlich sehe ich ihn schon auf mich warten.
Gemeinsam radeln wir noch ein Stück bis zum Mündung des Moserkarbachs. Hier deponieren wir im Wald die Räder und ich einen Teil meines Gepäcks. Um neun Uhr erreichen wir diesen wunderbaren kleinen Platz, von dem aus man den ersten Ausblick in das wilde Moserkar hat und frühstücken erstmal zusammen.
Nach dem Frühstück gehen wir den Moserkarbach entlang, bis wir nach rechts über den Bach kommen und durch einen kleinen Steig durch die Latschen ins Große Kühkarl abbiegen. Den Steig verlieren wir immer wieder, kommen dennoch gut voran. Um kurz nach elf stoßen wir auf die Überreste eines Flugzeugwracks. Das war mal ein Learjet 23, der eigentlich nach Innsbruck wollte, aber wegen schlechter Sicht am 28.08.1972 gegen die Westwand der Nördlichen Sonnenspitze geflogen ist. Zwei Tote gab es bei diesem Unfall, die Opfer wurden nie gefunden. Ein eigenartiges Gefühl, mit sowas seine Tour zu starten. Wir legen eine Gedenkminute ein bevor wir weiter gehen.
Nachdem wir an der steilen Kante zur Nordwand angekommen sind, schnaufen wir kurz durch. Dann geht es auch schon in die angenehm schattige Westflanke. Zunächst steigen wir in einer herrlichen festen Rinne etwa 50 Meter hoch. Die enpuppt sich aber leider als falsch. Also zurück nach unten und ein Stück weiter durch die Flanke. Wir queren mehrere Einschnitte, bevor wir nach links abbiegen und mehr oder weniger gerade die Flanke hinauf klettern.
Laut Führer folgt man für 100 Meter einer seichten Rinne mit mehreren Wandstufen. Eine dieser Wandstufen bringt uns fast dazu umzukehren. Vielleicht bin ich nach den letzten drei Tagen auch einfach psychisch etwas ausgebrannt. Jedenfalls äußere ich zum ersten Mal Philipp gegenüber, dass ich wirklich große Angst habe. Auch wenn wir in einer seichten Rinne stehen. Das Gelände hinter uns ist sehr steil und würde einen Sturz nicht verzeihen. Ich mache mehrere Ansätze die Stufe zu erklimmen, muss aber jedes Mal wieder zurück, weil sie mir zu schwer erscheint.
Letztlich steigt mein Freund vor. Beim Zuschauen wird mir fast schlecht, weil die Felsen dadurch noch steiler wirken. Aber von oben schreit er herunter, dass er einen geschlagenen Haken mit einem Stück Reepschnur gefunden hat. Wir scheinen also richtig zu sein. Das hilft mir, mich nochmals zu sammeln und ihm hinterher zu steigen.
Wir finden noch zwei weitere Haken. Scheinbar gibt es mehrere Leute, die hier Schwierigkeiten haben. Für mich ist hier subjektiv der obere zweite Schwierigkeitsgrat erreicht. Allmählich legt sich das Gelände ganz dezent etwas zurück und hier und da sind wenige Passagen mit etwas festerem Fels.
Bald haben wir auch schon die Höhenmeter hinter uns gebracht und stoßen auf ein abschüssiges Schuttband, dass uns nach Norden und zum Grat führt. Über eine weiter kurze brüchige Stelle klettern wir zum Gipfel.
Nach einer halben Stunde Rast machen wir uns an die Überschreitung. Laut Führer brauchts dafür zwei Stunden. Angesichts des anspruchsvollen Geländes könnte das auch hinkommen. Im großen und ganzen bleibt man meist am Grat, mit wenigen Abweichungen in die Ostflanke. Vor allem zu Beginn der Überschreitung. Die Schwierigkeiten bewegen sich zwischen äußerst diffizilem Gehgelände und brüchiger IIer-Kraxelei.
Nach nur 55 Minuten stehen wir bereits erstaunt auf der Südlichen Sonnenspitze. So lange wie erwartet hat das nicht gedauert. Nach einer kurzen Verschnaufpause machen wir uns auch schon an den Weiterweg. Der Südgrat soll auch noch mit ein paar Überraschungen aufwarten.
Nachdem wir den Südgrat hinter uns gelassen haben, machen wir nochmal eine ausgiebige Pause. Dann steigen wir zunächst über grasiges Schrofengelände zu einer ausgewaschenen Rinne. Hier findet bei starkem Regen sicher eine wahnsinnige Party statt. Durch die Rinne geht es zunächst angenehm und zügig bergab.
Doch plötzlich stehen wir vor einem steilen Abbruch. Eine etwa 20 Meter hohe Kante in der Rinne zwingt uns, nach rechts in steile Schrofen auszuweichen, teilweise mit Latschenkampf. So überwinden wir die steilsten Passagen, die für uns in der Rinne ungangbar aussehen und gelangen sicher nach unten. Im Moserkarbach gibt es noch eine Erfrischung. Dann auf dem Weg wieder hinaus zu den Rädern und zum Abendessen zum Wiesenhof.
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Der Bericht ist wie immer hier auf Bröselfreaks ein Schmankerl und aufgrund der Vielzahl der Bilder viel informativer als die AV-Lektüre. Sehr inspirierend. Wie würdest du den anspruchsvollen Aufstieg werten im Vergleich z.B. mit Risser Falk, Roßlochspitzengrat oder Kaltwasserkarspitze?
Danke und Gruß
Stefan
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Hallo Stefan.
Insgesamt würde ich sagen, einen Tick anspruchsvoller. Die Wegfindung ist verzwickter. Bei der Kaltwasserkarspitze zB. kannst du dich ja kaum versteigen. Hier ist nicht immer alles eindeutig und die Wand dergetsalt steil und brüchig, dass keine Steinmannderl herumstehen.
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